Janine Notter ist im Kanton Aargau aufgewachsen, doch ihre Mutter stammt aus Unterwasser SG, weshalb der Bezug zum Toggenburg stets vorhanden war. Notter hat einen Abschluss als Betriebswirtschafterin mit Vertiefung Banking and Finance. Als sie 2018 die Masterarbeit schreiben musste, zog sie ins Toggenburg, auf den Chüeboden oberhalb von Unterwasser. Als Abwechslung zum Schreiben war sie öfters zu Fuss im Alpstein und auf den Churfirsten unterwegs. Nach Abschluss des Studiums wurde sie in Unterwasser sesshaft, dies auch deshalb, weil sie einen Job im benachbarten «Ländle», dem Fürstentum Liechtenstein, erhielt.
Inzwischen ist sie eine begeisterte Berggängerin und kennt jeden Berggipfel rund um ihr Zuhause. Bereits mehrmals ist sie an einem einzigen Tag über alle sieben Churfirsten gewandert. Besonders viel bedeutet ihr der Chäserrugg. Als Kind lernte sie ihn beim Skifahren kennen, denn er ist der einzige der sieben Churfirsten, auf den eine Bahn fährt. Die vielen verschiedenen Wanderwege auf den Chäserrugg schätzt die 32-Jährige sehr. Nebst den Tieren – vor allem Steinböcken –, denen sie auf den Wanderungen oft begegnet, findet sie die Architektur der Stararchitekten Herzog & de Meuron auf dem Berg einzigartig.
Ein weiterer Grund, weshalb dieser Churfirst
für sie besonders ist: Die letzte Wanderung vor
der Geburt ihres Sohnes Elio führte sie auf den
Chäserrugg – ebenso wie die erste, nach seiner
Geburt. Inzwischen ist Elio zweieinhalbjährig
und wandert kurze Strecken selbst, am liebsten
natürlich auf den Chäserrugg zu Papi David,
der
auf dem Berg arbeitet.
Hanspeter Frei ist mit seiner Cocker-Spaniel-Hündin Tonga viel in der Toggenburger Landschaft unterwegs. Aufgewachsen ist er im Weiler Brandholz in Ebnat-Kappel SG. In den 1960er-Jahren absolvierte er in Wildhaus SG eine Ausbildung zum Fotografen. Schon damals freute er sich über Aufträge in der Natur. Heute lebt der pensionierte Fotograf und Unternehmer in Lütisburg SG. Seit er im Ruhestand ist, zieht der 75-Jährige wieder häufiger mit der Kamera los. Mit seinen Video- und Fotobeiträgen bereitet er vielen Menschen auf Facebook und Youtube Freude. Die Videos werden von musikalischen Eigenkompositionen und Musik von bekannten Toggenburger Chören und Musikern begleitet.
Oft fährt Frei mit der Standseilbahn auf den Iltios und von da mit der Luftseilbahn auf den Chäserrugg. Dort verweilen er und Tonga aber nicht lange. Über den Sattel, hinauf über den Felsenplattenweg, zieht es die beiden auf den Hinderrugg. Mit 2306 Metern ist er der höchste der sieben Churfirsten. Der Hinderrugg ist für Frei ein Ort der Sinnlichkeit und der Stille. Wenn er sich dem höchsten Punkt des Hinderruggs nähert, sucht sich Tonga einen Platz und legt sich nieder. Das ist jeweils der Ort, wo sich auch Frei hinsetzt und sinniert. In dieser Landschaft, dem Himmel so nahe, prasseln die Ideen für Filme und Kompositionen auf ihn ein. Hier fühlt er sich geerdet und ist dankbar dafür, dass er in so einer wunderschönen Gegend lebt.
Der 62-jährige Stefan Frei war bis Ende Juni 2023 Gemeindepräsident von Jonschwil SG. Mit seiner Frau wohnt er in Schwarzenbach im Untertoggenburg. Aufgewachsen ist er in Herisau AR, und bereits als Kind war er mit seinen Eltern in den Bergen unterwegs. Als Vierjähriger sei er bereits auf den Säntis gewandert, weiss er aus Erzählungen seiner Mutter. Wobei er das fast nicht glauben kann, denn er kennt den Alpstein von seinen vielen Wanderungen und Klettertouren sehr gut. Auch während den Ferien war die Familie wandernd unterwegs. Mit seinem Vater und einem Bergführer bestieg er 14-jährig den Piz Palü. Von diesem Moment an war er alpin unterwegs. Frei ist dem SAC Säntis beigetreten – zuerst der Jugendorganisation (JO), wo er später auch Leiter wurde, dann wurde er Chef des Kinderbergsteigens und später JO-Chef. Seit Mai 2022 ist Frei Präsident der St. Galler Wanderwege, wo er auch als Wanderleiter tätig ist. Die Vereins- und Verbandsarbeit ist ihm ein Anliegen und bereitet ihm viel Freude.
Nebst dem Alpstein ist Frei gerne auf den Churfirsten unterwegs – unter anderem auf dem Schibenstoll. Der Schibenstoll ist zwar nicht der schwierigste, aber trotzdem ein spezieller Berg. Der Einstieg ist felsig und anspruchsvoll, oben gibt es eine schräge Fläche, auf der Schafe weiden. Eine weitere Einzigartigkeit ist der Schnüerliweg, ein exponierter, schmaler Weg auf der Südseite. Dieser führt vom Chäserrugg, unterhalb des Hinderruggs und Schibenstoll durch. Zwischen Schibenstoll und Zuestoll überquert man den Sattel und wandert talwärts Richtung Toggenburg oder hinauf auf den Schibenstoll.
Als erste Bergsteiger erreichten Peter Diener und Ernst Forrer am 13. Mai 1960 den 8167 Meter hohen Dhaulagiri im Himalaja. Sie waren Teil einer 13-köpfigen Schweizer Expeditionsgruppe. Der 95-jährige Diener ist in Zittau in Sachsen geboren. Er ist der erste Deutsche, der einen 8000er ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen hat.
Dank eines Zeitungsinserats kam er nach Lichtensteig im Toggenburg, dort arbeitete er als Dachdecker. Während dieser Zeit knüpfte er Kontakte zur einheimischen Kletterszene und lernte seinen künftigen Schwager Ernst Forrer kennen. 1961 heiratete er die Schwester seines Kletterkollegen. Heute lebt Diener im Schönenboden in Wildhaus SG. Im ganzen Haus sind Fotos und Erinnerungen seiner Klettertouren aufgehängt.
Für Diener ist der mittlere Churfirst, der Zuestoll, der Herausforderndste und Schönste – schliesslich ist es der einzige Churfirst, der über einen Alpinwanderweg erreichbar ist. In den 1950er-Jahren hat Diener den Zuestoll von der Südseite, oberhalb des Walensees, erklettert. Von Walenstadtberg SG führt der Weg ab der Alp Tschingla bis zum Einstieg am Zuestoll. Der Rückweg führt über den nördlichen Rücken des Zuestolls. Zwischen Brisi und Zuestoll führt der Weg über die Paliis Nideri und die Alp Tschingla zum Ausgangspunkt zurück. Heute klettert Diener nicht mehr. Man trifft den 95-Jährigen jedoch noch öfters auf zwei- bis dreistündigen Wanderungen im Obertoggenburg und dem angrenzenden Werdenberg an.
Ruth Bollhalder ist zusammen mit drei Geschwistern in Alt St. Johann SG auf einem Bauernhof aufgewachsen. Tiere waren schon immer wichtig für sie. Bereits als Kind hatte sie ein eigenes Kalb, für das sie verantwortlich war. Während den fünf Wochen Sommerferien war sie jeweils auf der Selunalp «z’Alp». Da half sie beim Melken, beim Eintreiben der Kühe und beim Verrichten von Stallarbeiten. Dadurch konnte sie sich einen Batzen für das Skitrainingslager im Herbst verdienen, denn als Jugendliche war sie eine ambitionierte Skirennfahrerin. Ihre Passion fürs Skifahren führte dazu, dass sie später Skilehrerin wurde. Noch heute trifft man die gelernte Köchin im Winter mit Skischülern auf den Skipisten im Obertoggenburg an.
Seit ihrer Heirat ist sie Bäuerin und Schafhirtin. Seit nunmehr zwölf Jahren ist die Familie Bollhalder alleinige Pächterin des Brisis. Die rund 100 Schafe, zu denen Schafhirtin Bollhalder schaut, kommen von Balzers (FL) und Sennwald SG im Rheintal. Die Familie Bollhalder besitzt die Alp am Fuss des fünften Churfirsten. Dort melken sie während den sieben Wochen Alpzeit täglich die Kühe, und die Hirtin beobachtet mit dem Feldstecher die Schafe auf dem Brisi. Einmal wöchentlich wandert sie zu den Tieren hoch und bringt ihnen Salz sowie trockenes Brot.
Im Sommer 2023 war sie ganze 14 Mal auf dem Brisi. Wenn sie auf dem Gipfel ist, verweilt sie, sinniert und geniesst die Zeit, die sie für sich allein hat.
Beat Boller ist in einer wanderfreudigen Familie in Wattwil SG aufgewachsen. Schon als Neunjährigen nahmen ihn die Eltern auf eine sechstägige Wanderung von Schaffhausen nach Schwyz mit. Sein Vater war im Aktivdienst Offizier der Gebirgsinfanterie und somit viel in den Alpen unterwegs. Boller, der seit 35 Jahren in Zürich lebt, ist Ingenieur der Agronomie und Doktor der technischen Wissenschaften.
2019 hat Boller an einem Tag alle sieben Churfirsten bestiegen. Seinen Lieblingschurfirsten, den Frümsel, beschreibt er als abweisend: «Man erhält das Gefühl, dass der nicht will, dass man ihn besteigt.» Der Frümsel fasziniert den 72-Jährigen auch, weil er als Pyramide in der Reihe der Churfirsten heraussticht – fast wie ein kleines Matterhorn. Schon als Kind ist Boller mit der Familie auf alle sieben Churfirsten gewandert; den Frümsel haben sie dabei als letzten erklommen. Damals war der Weg noch nicht markiert, der Aufstieg war also weglos. Speziell am Frümsel ist, dass das Gipfelkreuz nicht auf dem Gipfel steht, sondern exponiert auf einer Kanzel Richtung Walensee und der Blick vom Kreuz aus an die Südwand des Frümsels führt.
Der begeisterte Tourenskifahrer Boller hat den Frümsel auch schon im Winter besucht, obwohl er ihn lange Zeit ausgelassen hat. Eine einheimische Skitourengängerin hat ihm dann den Weg auf den Gipfel gezeigt.
Der 40-jährige Raphael Gygax wohnt mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in Mosnang SG, im Untertoggenburg. Der in Lichtensteig SG aufgewachsene Gygax arbeitet im Bereich Marketing und Kommunikation am Johanneum, einer Institution, die Menschen mit einer geistigen Behinderung oder Lernschwäche die Möglichkeit gibt, eine Schule zu besuchen und zu arbeiten.
In seiner Freizeit ist er gerne in der Natur unterwegs – sei es wandernd, bikend oder im Winter auf den Ski. Das Wandern begleitet ihn bereits seit seiner frühsten Kindheit. Sein Vater war im Militär Hauptmann der Gebirgsinfanterie und auf seinen schweizweiten Wanderrekognoszierungen begleiteten Raphael und sein Bruder den Vater oft.
Die erste Begegnung mit dem Selun machte Gygax als Fünfjähriger. Es war der erste Churfirst, den er mit seinem Vater bestieg. Von Starkenbach aus fuhren sie zuerst mit der legendären Kistenbahn auf die Alp Selun. Von dort aus wanderten sie auf den 2205 Meter hohen Gipfel. Auch für seine eigenen Kinder war der Selun der erste Churfirst, auf den sie wanderten. Genau wie er 30 Jahre zuvor, fuhren sie zuerst mit der Kistenbahn hoch, bevor es wandernd weiterging. Die Familie Gygax hat sich zum Ziel gesetzt, jedes Jahr sämtliche sieben Churfirsten zu besteigen.

Durch die Karstlandschaft auf den Chäserrugg
Die Churfirsten sind eine Gebirgskette mit sieben «Zinggen». Auf der Toggenburger Seite sind sie lieblich grün anzusehen, zum Walensee hin steil und felsig abfallend. Alle sind begehbar, entweder wandernd oder kletternd. Der Chäserrugg ist der einzige, der touristisch mit einer Luftseilbahn erschlossen ist. Der zweite Churfirst ist der Hinderrugg, der höchste. Es folgen der unbekannte Schibenstoll und der sportlich fordernde Zuestoll. Der breite Brisi ist die Nummer fünf. Eine Pyramide bildet der Frümsel. Der siebte, der Selun, ist sagenumwoben. Ausgangspunkt dieser Wanderung ist Iltios, das von Unterwasser zu Fuss oder – etwas gemütlicher – mit der Standseilbahn zu erreichen ist. Bereits in Iltios ist der Blick auf die Churfirsten eindrücklich. Die Wanderung führt über Alpweiden und entlang der Bergflanke des östlichen Chäserrugg. Mit etwas Glück begegnet man hier am Morgen Steinböcken. Bei der Alp Plisa beginnt ein Gelände mit einer eindrücklichen Karstlandschaft, der Weg führt mittendurch. Nach der Durchquerung erreicht man den Sattel. Hier berührt der Wanderweg kurz den Geologischen Rundweg um den Gamserrugg. Das Gestein der Churfirsten geht bis in die Kreidezeit (144 bis 65 Millionen Jahre v. Chr.) zurück. Die Gegend war Teil eines tropischen Meeres. 2002 wurde in dieser Region gar ein Skelett eines weissen Hai gefunden. Nachdem der Sattel passiert ist, erreicht man die Schlachtböden. Eine Hochebene, auf der während des Alpsommers Kühe weiden und auf der es viele kleine Moorgebiete gibt. Diese bieten Nährboden für Kleintiere und Pflanzen, beispielsweise für das Wollgras. Auf der ganzen Wanderung ist am Wegrand eine einmalige Alpenflora zu bewundern. Bis zum Ziel auf dem Chäserrugg sind es noch wenige Höhenmeter. Der Rückweg vom Chäserrugg ins Tal ist entweder per Luftseilbahn oder als Wanderung über den Chäserrugg oder Hinderrugg via Gluristal möglich.