Wie steht es um den Schweizer Käse?

Wie steht es um den Schweizer Käse?
Warum für den Schweizer Käse die Vergangenheit essenziell ist, welche gesellschaftlichen Trends die Käseproduktion vor Herausforderungen stellen, wie viele verschieden Käsesorten hergestellt werden, wie Käse «ohne Tier» entsteht. Dies und vieles mehr erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag.
Damit ich weiss, ob für meine künftigen Wanderungen weiterhin Schweizer Käse zur Verfügung steht und welche Sorten ich erwarten darf, habe ich mich heute mal mit der Zukunft des Schweizer Käses auseinandergesetzt.
Im Jahre 2024 hat die Schweizer Bevölkerung pro Person im Durchschnitt 23 Kilogramm Käse konsumiert. Das sind etwas mehr als 60 Gramm pro Tag oder über 400 Gramm pro Woche. Der Gesamtkonsum von Käse bleibt stabil, aber es gibt grosse Veränderungen bei den bevorzugten Sorten. Traditionelle Sorten wie Emmentaler und Greyerzer verlieren an Bedeutung während Mozzarella, Feta und andere Frischkäse einen Boom erleben. Dieser Wandel wurde von den Käsereien in der Schweiz kaum mitgestaltet. Bis ins Jahr 1999 regelte nämlich die Käseunion, welche Käsesorten in welchen Mengen produziert werden. Sortenkäse wie beispielsweise Emmentaler, Gruyère und Sbrinz AOP wurden subventioniert. Seitdem ist ihr Anteil an der Schweizer Käseproduktion von 54 Prozent auf 27.5 Prozent gesunken. Insbesondere beim Emmentaler sind Nachfrage und Produktion stark gesunken.
Im Jahre 2023 wurde zum ersten Mal mehr Käse importiert als exportiert. Der importierte Käse ist viel billiger als Schweizer Käse. Im Jahr 2024 waren der grösste Teil der Importe Frischkäse und Quark v.a. für die Nahrungsmittelindustrie und Gastronomie. Im Jahre hatten die Käseexporte dennoch das zweitbeste Exportjahr seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht. Etwa 45 Prozent der Schweizer Milch wurde zu über 700 verschiedenen Käsespezialitäten verarbeitet. 40 Prozent davon wurden in über 70 Länder exportiert – der Grossteil in europäische Länder. Im Jahr 2025 sind die Exporte jedoch wieder stagnierend und die Importe nehmen weiterhin zu, während der internationale Wettbewerb auch betreffend Qualität härter wird.
Aufwind erhofft sich die Schweizer Käsebranche von den World Cheese Awards. Diese finden dieses Jahr zum ersten Mal in der Schweiz (Bern) statt. Über 5000 Käse aus über 50 Ländern treten gegeneinander an. Besonders grosse Hoffnungen ruhen auf den Schweizer Weichkäseproduzentinnen und -produzenten. Dank der kurzen Wege innerhalb der Schweiz können empfindliche Käsesorten wie Tomme oder Vacherin Mont-d’Or erstmals in perfektem Zustand präsentiert werden.
Neben den Vorlieben der Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen auch weitere gesellschaftliche Entwicklungen die Käsebranche: Die Zunahme von multikulturellen Haushalten bringt neue Käsesorten in die Regale (beispielsweise Paneer) und die wachsende Zahl kleinerer Haushalte führt dazu, dass Käse häufiger in kleineren Portionen konsumiert wird. Diese Veränderungen stellen eine Herausforderung dar, sind aber auch eine Chance für innovative Produkte. Insbesondere für kleinere Käsereien liegt der Schlüssel zum Erfolg zudem bei der Emotionalisierung ihrer Produkte. Sie können eine Geschichte hinter dem Käse erzählen.
Für die Zukunft des Schweizer Käses ist die Vergangenheit essenziell. Agroscope verfügt über 12 000 Stämme tiefgefrorene oder gefriergetrocknete Stämme von Milchsäurebakterien, welche dem Käse schlussendlich den Geschmack geben. Seit den 70er Jahren isoliert die Agroscope diese Stämme, vermehrt und reproduziert diese. Die Diversität an Bakterienstämmen war früher viel grösser als heutzutage. Viele der Käsereien, von denen die Bakterienstämme stammen, gibt es heute nicht mehr. Heute beliefert die Agroscope 90% der Schweizer Käsereien mit Bakterienkulturen. Jede Käsesorte hat ihre eigene Bakterienkultur.
Essenziell sind Bakterien auch für Formo. Ein Unternehmen, welches Käse produziert, aber ohne Tier. Seit September 2024 kann ihr Käse in Deutschland gekauft werden. Die ersten Jahre forschte Formo an Grundlagen. Der Käse, welche bereits heute auf dem Markt ist, wird mithilfe von Mikrofermentation erstellt. Sogenannte Koji-Kulturen (Pilz), welche in der asiatischen Küche bekannt sind, werden mit Zucker und Mikronährstoffen gefüttert. Daraus entstehen Koji-Proteine, aus welchen wiederum mit der richtigen Menge und Mischung aus Fetten und Kohlenhydraten tierfreier Käse entsteht. In seiner ersten Finanzierungsrunde 2021 sammelte das Unternehmen 42 Millionen Euro. Nie zuvor hatte ein europäisches Food-Startup so viel Geld erhalten. Bereits auf dem Schweizer Markt und auch ohne Tier jedoch nicht aus Milchproteinen sind die Produkte von New Roots. Sie werden aus Cashewnüssen hergestellt.
Wird der Schweizer Käsemarkt (mit Tier) sich stabilisieren und innovieren, um mit dem Ausland mithalten zu können? Werden sich alternative und/oder tierfreie Produkte durchsetzen?
Ich persönlich liebe Schweizer Käse und könnte nicht darauf verzichten (habe ich in der Schweiz überhaupt schon einmal Käse aus dem Ausland gekauft?), finde die anderen Produkte aber eine spannende Abwechslung.
Quellen
- Emotional statt industriell: Die Zukunft des Schweizer Käses
- Schweizer Käse-Tradition unter Druck
- Schweizer Käse erreicht 2024 zweitbestes Exportjahr
- Schweizer Käse im Rampenlicht: Zwischen Stabilität, Exportdruck und Weltmeisterträumen
- Das Geheimnis des Schweizer Käses
- So geht Käse ohne Tiere
- Echter Käse, aber ohne Tier: Ist die Zeit der Milchkühe vorbei?