Eine Grenzerfahrung in den Bergen

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27.03.2019 • evelynewandert

Eine Grenzerfahrung in den Bergen

Freunde, vor gut einem Monat erlebte ich eine Grenzerfahrung: Bei allerschönstem Winterwetter fuhr ich für drei Tage in die Berge und habe nichts gemacht. Gar nichts. Nada. Nobis. Eifach nüt, verschteisch? Und das kam so:

Runde Geburtstage haben durchaus ihr Gutes. Hat man in den Jahren zuvor ein einigermassen anständiges Benehmen an den Tag gelegt und etwas Sozialkompetenz praktiziert, darf man damit rechnen, von den Liebsten nicht nur ein paar Wollsocken geschenkt zu erhalten. Ging für mich jedenfalls wieder einmal auf. Bruderherz hat mit der ganz grossen Kelle angerichtet und mich Mitte Februar für ein verlängertes Wochenende ins historische Alpinhotel Grimsel Hospiz eingeladen. Dieses preist sich als «Winter-Ruheoase» zum abschalten und entschleunigen inmitten unberührter Naturlandschaft an. Wellness-Jünger finden einen Hotpot und eine Fass-Sauna vor. Für die rastlosen Gäste steht indes ein präparierter Kürzest-Winterwanderweg bereit, inklusive Schneeschuhen zum Testen. Soweit, so gut.

Aber eben diese «Ruheoase» war es, die mir im Vorfeld schiere Albträume beschert hat. Denn: that’s it. Ruheoase, Punkt. Das Hotelgelände darf (und kann!) während der gesamten Dauer des Aufenthalts nicht verlassen werden. Ist so. Wirklich.

ICH in den Bergen und zum Nichtstun verdammt! Das funktioniert ja nicht einmal daheim!!!

Petrus muss ein Vetter x-ten Grades von uns sein, denn das Wetter war schlicht phänomenal. (Klammerbemerkung: strahlend schön finde ich ziemlich langweilig, erst recht in den Bergen. Und ungeniert vor sich hingammeln gelingt doch für gewöhnlich bei Huddelwetter am besten…) Die abenteuerliche Anreise ab Innertkirchen erfolgte unter kundiger Leitung eines engagierten Pensionärs mit Postauto, zwei Luftseilbahnen und einer Autofahrt im Stollen.

Einmal oben angekommen, war’s wie im Altersheim: den Tagesrhythmus bestimmten die Mahlzeiten. Wir haben unseren Aufenthalt mit einem Bierchen und Flammkuchen auf der Terrasse eingeläutet. Und dazu getratscht. Die Bergwelt bewundert. Über die anderen Gäste gelästert. Oder einander auch mal angeschwiegen. Erst sehr viel später mit Lektüre begonnen. Dazwischen das Kuchenbuffet genossen. Und schwupps – war schon wieder Zeit fürs Znacht. Erschreckend schnell und ganz ähnlich verging auch Tag 2. Von Tag 3 ganz zu schweigen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten!

Aber trotzdem hat es mich zeitweilig fast verschrissen. Zu wissen, dass sich links und rechts des aktuellen Standorts Skitourenrouten an die Hänge schmiegen und zu sehen, wie jemand strammen Schrittes auf der Passstrasse bergwärts gen Süden mit Aussicht auf die Walliser Viertausender zieht, ist einfach Folter. Ich wähnte mich mitunter als Opfer seelischer Grausamkeit und kam mir vor wie ein Knasti auf Alcatraz. Einfach damit ich mir später nichts hätte vorwerfen müssen, einfach nur deswegen habe ich dann doch noch alibimässig an der Rezeption gefragt, ob denn wirklich gar keine Möglichkeit… Ein Nein kann tatsächlich sehr kreativ begründet werden…

Fazit: ein paar inaktive, völlig tiefenentspannte Stunden in den Bergen bilden für Körper und Geist eine sehr wohltuende und kurzweilige Abwechslung. Aber als Bewegungsmensch mit Hummeln im Hintern ist mir aktive Erholung immer noch am liebsten.

Abschliessend meine Bewertung mit den Zauggschen Fünf:

  • Zustieg: überaus kräfteschonend, da zu 99% unter Zuhilfenahme von technischen Aufstiegshilfen
  • Augen: nicht ganz unberührte, tiefverschneite Alpinlandschaft mit Spuren der Zivilisation in Form von der Stromproduktion dienenden Infrastruktur. Sehr stilvolles Interieur mit zahlreichen Kerzen und geschickter Kombination von alt und neu
  • Uebernachten: frisch renovierte Doppelzimmer mit jeglichem Komfort und schönster Bergsicht
  • Gaumenfreuden: à la carte und 1 Geniessermenu; sehr reichhaltiges Frühstücksbuffet
  • Gemüt: Kaffee & Kuchen im wunderschönen Saal am Kaminfeuer

Wer’s selber einmal erleben möchte: Hotel Grimsel Hospiz. Unbedingt frühzeitig reservieren!

Hüttenwanderin

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