Wer hat Angst vom Türst?

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08.11.2017 • veraalpina

Wer hat Angst vom Türst?

Eines Novembertages juckte es mich in den Füssen. Ich musste raus aus der Stadt. In die Natur. Abschalten. Nicht sprechen. Alleine sein. Stille geniessen.

Ich schnappte mir den Alpinchihuahua und stieg in den Zug in Richtung Luzern. Aber nicht etwa in die Berge, nein, wir wollten uns diesmal eine uns etwas unbekanntere Region vorknöpfen. So zog es uns vom Luzerner Bahnhof noch eine halbe Stunde S-Bahnfahrt weiter nach Menznau. Die Wanderung begann höchst unspektakulär, aber sehr idyllisch. Als wir einen Hof passierten, kam aus der Türe eine verhutzelte alte Frau, grüsste freundlich, meinte: «Passen Sie bloss auf, dass Ihnen der Türst nicht begegnet», und verschwand im Stall.

Ich nickte, obwohl ich überhaupt keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. Türst? Was ist bitte ein Türst? Aber mein Smartphone ist immer griffbereit, also suchte ich beim Weiterwandern online nach einer Definition und fand sie gar auf Wikipedia:

Aha, eine Sagengestalt also. Nun gut, Sagen finde ich cool und da ich mich gerade in einem solchen Sagengebiet befand, informierte ich mich doch sehr gerne weiter. Zumal die Bezeichnung «höllischer Jäger» nicht unbedingt sehr viel Gutes verheissen liess…

 

Wolhusen lag ganz in der Nähe unserer Wanderroute. Immerhin wusste ich jetzt, was zu tun war, sollte uns also dieser Türst begegnen. Drei Schritte nach rechts würden auch auf einem schmalen Wanderweg noch drinliegen. Auch wenn ich Hunde sehr gerne mag, wollte ich trotzdem lieber nicht als ein solcher enden. Und obendrein ohne Rast und Ruh mein Leben lang irgend einem Typen folgen? Nein, merci.

«Was mache ich mir eigentlich für Gedanken?» fragte ich mich beim Weitergehen. Das Dörfchen hatten wir passiert, wir wanderten nun verschiedensten Feldern und am Waldrand entlang und atmeten die frische Landluft.

 

Ein Gefolge von kleinen Hunden stelle ich mir persönlich als ein Stück des Himmels vor, ein einäugiger Hund wäre auch noch ganz OK, aber mit glühäugigen Gespenstern und Hexen wollte ich es nun doch nicht aufnehmen. Er schien trotz alldem ein interessanter Typ zu sein, dieser Türst. Sicherlich ein Hundefreund. Sollte es also hart auf hart kommen und wir dieser mystischen Sagengestalt begegnen, hätten wir sicher schon einmal etwas gemeinsam.

Die gelben und orangen Blätter raschelten an den Bäumen, da ein kleines, dennoch sehr kühles Lüftchen aufzog. War mein Chihuahua bis anhin konzentriert beim schnüffelnden Erkunden der Gegend gewesen, stellten sich ihm plötzlich alle Rückenhaare auf und er begann, leise zu knurren. Ich schaute mich um. Es war keine Menschenseele zu sehen. «Vielleicht hat er ja die Pfaffenkellnerin mit ihren glühenden Augen gesehen», dachte ich mir und musste darüber leise lachen. Das Lachen blieb mir aber etwa zwischen Hals und Gaumen stecken, da ich hinter mir viele schnelle Schritte im Laub vernahm.

Das Blut gefror in meinen Adern. Wie aus dem Nichts war ein grosser schwarzer Hund hinter uns aufgetaucht. Er musste uns schon lange gefolgt sein, denn weit und breit war kein Hof oder Haus zu sehen. Aber wieso hatte denn mein Hund erst jetzt angegeben? Normalerweise fängt er laut an zu bellen, wenn ihm etwas nicht geheuer ist. Jetzt fixierte er aber diesen schwarzen Riesenhund, fletschte die Zähne und knurrte, was er nur konnte. Ich tat das einzig Richtige: Ich machte diese drei Schritte nach rechts und liess den Hund durch!

In seinem Vorbeigehen erhaschte ich einen Blick auf sein Gesicht. Er hatte nur ein Auge.

Die Wanderung kann als Wandervorschlag  auf http://www.wandern.ch nachgelesen werden. Nummer: 1112

Mehr zum Türst findet sich hier:

Die Rache des Türst

Auszug aus der Sagenwelt des Kantons Luzern bezüglich Sträggele, Türst und Vuotisheer (PDF)

Vera Alpina

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