Marbachegg
— Flühli
• LU
Kann man gleichzeitig im März und im Juni wandern? Natürlich nicht. Oder doch? Im süd~ westlichsten Zipfel des Kantons Luzern liegt der kleine Gebirgszug der Schrattenflue. Auf ihrer Ostseite bildet er eine karge Felswildnis aus Schratten, Schründen und heimtückischen Löchern, auf ihrer Westseite aber fällt er in steilen Grasflanken und Felsbändern ab und geht dann in eine hügelige, bewaldete Voralpenlandschaft über. Durch dieses Grenzland zwischen Alpen und Voralpen führt diese abwechslungsreiche Wanderung von der Marbachegg nach Flühli. Die vielfältige Landschaft ist es auch, die es einem ermöglicht, zumindest im botanischen Sinne, gleichzeitig im Spätwinter und im Sommer unterwegs zu sein. In den sonnenverwöhnten Weiden bei der Marbachegg kämpfen die Schottischen Hochlandrinder mit der Sommerhitze, und in den Wiesen sind bereits die grossen blauen Blüten des Kalk-Glocken-Enzians auszumachen. In den schattigen Runsen an der Schrattenflue aber ist noch fast Winter - der Lawinenschnee liegt noch meterhoch, und am Wegrand stossen die ersten Huflattiche ihre gelben Blüten durch das braune Vorjahresgras. Kann man gleichzeitig in lieblicher schweizerischer Bauernlandschaft und in uriger, wilder Bergnatur unterwegs sein? Natürlich nicht. Aber beinahe, denn Liebliches und Uriges liegen auf dieser Wanderung nahe beieinander und haben sich zu einem spannenden Mosaik verwoben. Immer wieder wandert man durch blumenübersäte Wiesen und saftige Weiden, um nur Augenblicke später im Dunkel eines alten Waldes zu verschwinden. Eines Waldes, der mit seinen mächtigen, knorrigen Stämmen und den umgestürzten und toten Bäumen einem Urwald in einem fernen Lande in nichts nachsteht.