Drei Tage, drei Hütten, drei Zinnen

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02.10.2020 • Wanderpapa

Drei Tage, drei Hütten, drei Zinnen

Zeit haben. Wie wichtig das ist, haben wir eben erst wieder erlebt in unseren Wanderferien im Südtirol. Unsere dreitägige Hüttentour war nicht eben vom Wettergott gesegnet. Zweieinhalb Tage wandern wir im Nebel und Regen, sehen kaum etwas von den imposanten Dolomiten-Zacken. Doch wir entdecken einmal mehr unsere Familie.

Die Tour beginnt im Fischleintal mit einem 760 Höhenmeter umfassenden Aufstieg. Nicht ohne für unseren sechsjährigen Lichterprinzen. Doch der Weg ist breit und bietet keine grösseren Schwierigkeiten. Wir lassen uns Zeit und ich erzähle den Kindern von der Latschenhexe, die hier bei Vollmond Kräuter sammelt und allerlei Dinge zaubert. Die Bergkiefer wird hier Latsche genannt, wir haben unten im Tal ganze Wälder des dunkelgrünen, tiefwachsenden Baumes passiert. Die Geschichten helfen, und der Lichterprinz beginnt, am laufenden Band eigene Geschichten zu erzählen. So stört es uns bald nicht mehr, dass rundherum Wolken wabern und die Gipfel im Nebel eingehüllt sind. Umso weniger, als wir auf dem Weg den ersten Alpensalamander entdecken.

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Kurz vor der Zsigmondyhütte.

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Unterwegs im Nebel, lange dauerts. Wo sind die Dolomiten?

Es ist kalt und unwirtlich, wir spielen und rasten nur wenig und erreichen die Zsigmondyhütte bereits anfangs Nachmittag. Wir haben Glück und bekommen ein eigenes Zimmer, wo wir uns gleich zurückziehen, unter die Bettdecken schlüpfen und jassen. Später spielen wir in der gemütlichen Stube Bandida. Es sind Familienstunden, die gut tun. Kein WLAN, kein Buch, keine To-Do’s. Einfach dasein und leben. Fein essen. Früh ins Bett gehen. Gut schlafen.

Ohne Aussicht auf dem Gipfel

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    Einer von 22. Wir freuen uns über die Salamander auf dem Weg.

    Am zweiten Tag regnets, doch die Kaiser Schmarrn zum Frühstück versüssen uns den Tagesstart. Wir schlüpfen in unsere Regenmontur und wandern los. 300 Höhenmeter stehen auf dem Programm. Der Himmel ist verhangen, Nebel verdeckt die raue Steinlandschaft um uns. Grau in Grau, etwas trostlos ist es schon. Immer wieder blicken uns Steingesichter an, mit tiefen, schwarzen Furchen durchsetzt, meist schaurig-bös, einige wenige gutmütig. Dann finden wir Alpensalamander, zwei, drei, vier. Am Schluss sind es 22, die sich bei diesem Wetter gut fühlen. Und auch wir fühlen uns gut, trotz den Regentropfen, die wir unterdessen auf unserer Haut fühlen. Zum Glück erreichen wir bald die Büllelejochhütte, wo die Wandermama mit dem Lichterprinz und der Zauberfee zusammen fürs Zmittag einkehrt. Gemeinsam mit dem 13-jährigen Zwergenkönig besteige ich jetzt die Oberbachernspitze. Wir wandern Schützengräben entlang und durch einen Höhlengang aus dem 1. Weltkrieg, als sich hier Österreicher und Italiener in einem tödlichen Stellungskrieg gegenüberstanden. Oben auf dem Gipfel trauen wir uns, liegend über die Klippe zu schauen. Es geht 1000 Meter senkrecht in die Tiefe – nichts für schwache Nerven (und kleinere Geschwister).

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      Oben auf der Oberbachernspitze gehts 1000 Meter runter.

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      Ein Tunnel aus dem Ersten Weltkrieg.

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      Stacheldraht und kahle Schützengräben: keine schöne Vorstellung, was hier im Ersten Weltkrieg passiert ist.

      Wieder bei der Büllelejochhütte geht es erst etwas abwärts, dann lange Zeit entlang einer Bergflanke und auf einem riesigen Schuttkegel. Vor und hinter uns ist nur Nebel, der Stein um Stein freigibt und wieder verschluckt. Am Nachmittag erreichen wir endlich die Dreizinnenhütte. Und ein bisschen Sonne. Die Wolken geben die Drei Zinnen frei, gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn bisher haben wir von den Dolomiten eigentlich noch nichts gesehen. Letzte Wölklein hängen noch an zwei Gipfeln. Gegen Abend zeigt sich sogar die Sonne für einen Moment und taucht die Ebene vor der Hütte mit dem Helikopterlandeplatz – das Wichtigste für den kleinen Lichterprinzen – in ein gelbes, weiches Licht.

      Es ist immer noch kalt und wir verschwinden in der Hütte, beziehen unsere Familienzeit wie am ersten Tag. Und schlafen alle schon um 21 Uhr friedlich ein – wann gab es dies zum letzten Mal?

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      Abstieg ins Fischleintal am dritten Tag.

      Der dritte Tag beginnt mit Sicht auf die Drei Zinnen, bis uns während des Frühstücks der Nebel aus dem Tal erreicht. Sendeschluss. Abstieg in Weiss. Doch runter gehen die zweieinhalb Stunden wie geschmiert. Wir werfen den aufsteigenden, verschwitzten Tageswanderern verstohlen mitleidsvolle Blicke zu: Ackern sie sich ab für eine aussichtslose Belohnung? Vielleicht haben sie ja auch Glück wie wir.

      Erdpyramiden und Drei Zinnen «en miniature»

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      Kleiner Wanderer unter den Erdpyramiden in Terenten.

      Denn glücklich sind wir ja. Wir haben in drei Tagen als Familie zwar nicht viele Berge gesehen, aber viel erlebt. Und auf die verschwitzten Kinder wartet nun ein Schwimmbad mit Kinderrutsche. Wir verbringen die nächsten Tage in einem Familienhotel, das sich der gemeinsamen Familienzeit verschrieben hat – es geht also weiter mit «Zeit haben». Im Entdeckerhotel Panorama Kiens bei Bruneck erholen wir uns von der Dreitageswanderung. Und machen noch eine kleine Wanderung zu den Erdpyramiden von Terenten. Die etwa sechs Meter hohen Säulen aus feinem Sedimentgestein tragen einen grossen, flachen Stein auf der Spitze, der sie vor prasselndem Regen schützt. Dieser hat mit der Zeit das Material rundherum weggespült und die Säulen zurückgelassen. Ein eindrücklicher Ort und ein schöner Abschluss unserer Wanderferien.

      Oder doch noch nicht ganz: Auf dem Rückweg begegnen wir den Drei Zinnen nochmals. Die Kinder finden Steinchen in den Formen der Gipfel, stellen sie vor ihrem blauen Regenschutz auf und fotografieren sie. Endlich mal restlos blauer Himmel!

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      EndEndlich doch noch blauen Himmel!

      Übrigens: Unsere Hüttenwanderin Evelyne hat dieselbe Tour auch schon gemacht. Bei schönem Wetter: Wer wissen will, wie es dort wirklich aussieht, schaut hier nach.

      Wanderpapa

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