Eine atemberaubende Dreitagestour voller Überraschungen

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20.02.2020 • evelynewandert

Eine atemberaubende Dreitagestour voller Überraschungen

Die konditionell anspruchsvolle Dreitagestour von Simplon Gabi nach Saas-Almagell war schon in der Anreise strapaziös. Aber auch sonst bot sie doch die eine oder andere Überraschung…

Bei meinem letzten Besuch im Grenzdorf Gondo ennet dem Simplon reifte der Wunsch, einmal über den Zwischbergenpass ins Saastal zu wandern. Im Sommer 2019 war es dann soweit.

Wie immer erfolgt die Anreise per Zug, und wie immer verlassen wir den Bahnhof Brig in Richtung Postauto. Das sonnige Bänkli schien prädestiniert für die kurze Mittagsrast bis zur Abfahrt des Postautos, aber der Bus kommt und kommt nicht, und der prüfende Blick in den Fahrplan offenbart Überraschendes: um diese Uhrzeit ist die Anreise nach Gabi untenrum via Italien vorgesehen… Zeitgleich mit dem Pfiff des Kondis erwischen wir nach weltmeisterlichem Sprint (sorry an alle Pendler für die blauen Flecken, die unsere Ellbogen hinterlassen haben) den Zug…

Ab Iselle befördert uns dann die Gelbe Klasse, doch – surprise, surprise: der Postillion ignoriert unseren Haltewunsch in Gabi und fährt kaltschnäuzig bis nach Simplon Dorf weiter. Konsequenzen: innert Stundenfrist echauffiere ich mich zum zweiten Mal mächtig und kriege 45 Minuten Extramarsch aufgebrummt.

Dann aber startet endlich das Wandervergnügen. Über Furggu steigen wir hoch und wieder runter zum Berggasthaus Zwischbergen ins Nachtlager. Unterwegs gibt uns unerwartet ein Käuzchen die Ehre und ein bisschen vorhersehbar eine Cousine meines Begleiters ein Zvieri. Dass wir uns auf einer ehemaligen Handelsroute befinden, wird uns am nächsten Morgen klar, als uns der Wirt um einen kleinen Gefallen bittet: ein Kilo Brot für den Hirten auf Alp Cheller ausliefern, etwa 20 Minuten sei es ab hier zu wandern. Das ist ziemlich untertrieben, und nach einer Stunde finde ich mich damit ab, den Laib auch für die restlichen sechs Stunden und 1500 Höhenmeter mitzutragen… Aber weitere 15 Minuten später stehen sie dann endlich da: die steinigen Alphütten samt ihrem Sommerbewohner in der Gestalt eines äusserst netten, überraschend redseligen, gastfreundlichen und fürsorglichen Hirten.

Beinahe wären wir beim offerierten Tee verhöcklet, doch der bevorstehende beschwerliche Aufstieg zum Zwischbergenpass treibt uns weiter. Die Strapazen werden bald belohnt – mit einer fantastischen Alpenflora, einer ebensolchen Aussicht und einem Steinbock, der sich sehr gekonnt in Szene setzt. Das Dessert erwartet uns auf 2700 m ü. M.: ein schier endloser Gletscher mit Altschnee bedeckt erstreckt sich bis zum Horizont; erbarmungslos wartet er darauf, von uns erstbegangen zu werden; steil und steiler steigen wir empor, wähnen uns im Himalaya und erfahren dabei die wahre Bedeutung von «atemberaubend». Mit letzter Kraft und nasskalten Gliedern erreichen wir schliesslich den Höhepunkt der Tour auf 3300 m. ü. M – wo uns der orkanartige Wind beinahe wieder zurück ins Tal bläst. An ein gemütliches Einverleiben von Walliser Spezialitäten im Angesicht der Viertausender ist nicht zu denken! So beschränken wir uns aufs Wesentliche (Bilder schiessen, um die Aussicht in geschützter Umgebung zu geniessen) und steigen bei ausgeprägtem Gegenwind zur Almagellerhütte hinab.

«Entfliehen Sie der Hektik des Alltags und merken Sie selbst, wie wohlig Ihnen – in der unberührten Natur – ums Herz wird.» So preist sich die Almagellerhütte selbst an. Ich würde wahrheitsgemäss schreiben «Erleben Sie die Hektik des Alltags selbst in unberührter Natur und merken Sie das Unwohlsein als Folge von Dichtestress. Gewiss: der Betrieb war perfekt organisiert und das Personal freundlich, aber wenn im Zweischichtbetrieb gegessen wird und die Zahlungsmodalitäten am «cash desk» zu vorgegebenen Zeiten zu vollziehen sind, dann ist es nicht meins. Das ist der Nachteil von leicht zu erreichenden Hütten, die noch dazu Ausgangspunkt für einfach zu besteigende Viertausender sind.

Tags darauf steht Genusswandern auf dem Höhenweg zur Bergstation Kreuzboden auf dem Programm. Passend dazu musste auf der Almagelleralp ein Zwischenstopp mit Kaffee und Aprikosenkuchen einfach sein!

Wahrscheinlich hatte der barbarische Geist vom Zwischbergenpass seine sadistischen Hände nochmals im Spiel, denn bei unserem Eintreffen ist – wer hätte es gedacht – der Kuchen natürlich noch nicht einmal auf dem Weg in den Ofen… Der Schluss der Wanderung gestaltet sich dann aber versöhnlich: Wir werden auf Kreuzboden nicht nur mit Aprikosenkuchen begrüsst, sondern auch durch ein Jodelchörli, das sein musikalisches Können zum Besten gibt. Sogar die Postautofahrt nach Visp verläuft diesmal reibungslos, so dass wir mit vielen wunderbaren und bleibenden Eindrücken die Heimreise antreten können.

1. Tag: Simplon Gabi – Zwischbergen, 3h, Auf-/Abstieg 668 / 539m
2. Tag: Zwischbergen – Zwischbergenpass – Almagellerhütte SAC, 7h 15, 2033/498m
3. Tag: Almagellerhütte – Almagelleralp – Hehbord – Kreuzboden, 3h 30, 475/968m

 

 

Hüttenwanderin

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